Der britische Luxusautohersteller Jaguar Land Rover (JLR) wird von der Automobilkrise hart getroffen. Als großer Klotz am Bein erweisen sich die jüngst zugekauften britischen Luxussparten."Die Branche sieht sich Problemen bisher ungekannten Ausmaßes gegenüber. In dieser Situation halten wir die Regierung über die Entwicklung auf dem Laufenden", hieß es in einer Erklärung des zur indischen Tata-Gruppe gehörenden Produzenten. Brancheninformationen zufolge soll sich JLR bei der britischen Regierung auch um einen Stützungskredit in Höhe von 1 Mrd. Pfund (1,17 Mrd. Euro) beworben haben. "Wir wollen Spekulationen über Verhandlungen mit der Regierung nicht kommentieren", heißt es dazu bei JLR. Der Hersteller hat angesichts einer Halbierung der Zulassungszahlen für den Geländewagen Land Rover innerhalb eines Jahres jedoch bereits begonnen, Produktionen stillzulegen und Stellen zu streichen.
Die Tata-Gruppe, einer der größten Automobil- und Nutzfahrzeughersteller Indiens, hatte die beiden Marken Jaguar und Land Rover Anfang des Jahres für 2,3 Mrd. $ vom US-Konzern Ford gekauft. Mit dem spektakulären Schritt sicherte sich erstmals ein Hersteller aus einem Schwellenland etablierte westliche Automobilmarken.
Der Einstieg könnte im Umfeld der globalen Automobilkrise für die Inder zum Desaster werden. Tata veröffentlicht für seine britischen Marken, die dem Konzernbereich Tata Motors zugeschlagen sind, keine Ertragszahlen. Ein Prospekt, der Investoren kürzlich über die Details einer Kapitalerhöhung der Tata-Autosparte aufklären sollte, nennt für JLR nach Angaben von Brokerhäusern einen Verlust von 380 Mio. $ nach Steuern für das erste Halbjahr 2008.
Besonders negativ verläuft die Entwicklung bei der Marke Land Rover. Die Zahl der Zulassungen in Westeuropa ist im September von im Vorjahr gut 15.000 Stück auf in diesem Jahr nur noch rund 8400 eingebrochen. Beim Sportwagenmodell Jaguar war die Entwicklung besser, wenn auch auf niedrigerem Niveau. Die Marke verzeichnete seit Januar bei den Verkaufszahlen immerhin ein Plus von knapp 20 Prozent. Insgesamt musste JLR bisher einen Absatzrückgang von rund 35 Prozent hinnehmen.
"Jaguar ist in den letzten Jahren ohnehin auf seinen kleinstmöglichen Kern zusammengeschmolzen, was die positive Entwicklung gegen den allgemeinen Trend erklären mag", sagte Thomas Donnelly, Experte für Automobilwirtschaft an der Universität Coventry. "Land Rover wird hart von der Krise bei spritfressenden Geländewagen mit hohen Emissionswerten erwischt", so der Experte, der eine Besserung der Nachfragesituation für die Modelle frühestens 2010 erwartet. Tata werde seinen Zukauf mindestens drei Jahre Zeit geben, um sich auf dem Markt neu zu etablieren.
Um dieses Ziel zu erreichen, müsste zumindest Jaguar deutlich bei den Produktionszahlen zulegen. Inzwischen gilt in der Branche die Faustregel, dass sich Autos - bis auf wenige Topmodelle - unterhalb der Schwelle von 100.000 Stück nicht mehr profitabel herstellen lassen. Jaguar kam bei den Zulassungen im vergangenen Jahr auf gut 33.000 und Land Rover auf gut 112.000 Stück.
Der Markt für Geländewagen ist nicht nur durch die hohen Benzinpreise der letzten Monate, sondern auch durch die drohenden strengen Abgasvorschriften der EU unter Druck. Auch Kundenfinanzierungen haben sich durch die Finanzkrise verteuert. "Da führt für Land Rover nur der Weg über sauberere und sparsamere Antriebe", sagte ein Branchenkenner.
Tata hat mit David Smith einen Brancheninsider an der Spitze seiner britischen Marken installiert. JLR beschäftigt 15.000 Mitarbeiter und hat auf die Absatzkrise mit produktionsfreien Tagen in den Werken Solihull, Castle Bromwich und Halewood reagiert. Rund 300 Stellen wurden abgebaut. "Sollte die Nachfrage weiter und weiter fallen, würde sich das auswirken", hieß es bei JLR.
Die Tata-Tochter ist der einzige verbliebene Autohersteller mit eigenen Entwicklungszentren in Großbritannien. Der selbst schwer abgeschlagene Ford-Konzern - er liefert Tata noch die Motoren für Jaguar und Land-Rover-Modelle - hatte Jaguar 1990 für 2,5 Mrd. $ gekauft und Land Rover 2000 für 2 Mrd. $ von BMW übernommen.
Quelle: FTD
von Titus Kroder (London)
