Autor Thema: alter Test XJ-R  (Gelesen 3599 mal)

Offline Gerd Münch

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alter Test XJ-R
« am: Di.09.Jan 2007/ 17:07:15 »
Zitat
Fahrtbericht Jaguar XJ R

Das ruhige Leichtgewicht im Format der Könige

Die klassische Limousine birgt mehr High-Tech, als man ihr ansieht

Von Wolfgang Peters

Der Jaguar XJ R überzeugt als ein idealer Reisewagen.
05. Mai 2004
Im Umgang mit Briten kommt es immer wieder zu Mißverständnissen. Was wir als Humor interpretieren, meinen sie ernst. Wo wir lachen, sagen sie mit steifer Oberlippe "isn't it?" Oder sie bauen modernste Limousinen, die aussehen wie der Vater des Vorgängers, implantieren einen Motor, der geht wie Tod und Teufel, aber das Auto wird dadurch nicht zum Rennwagen, und sie heben das Ganze auf ein Technikniveau, das den deutschen Meistern aller Klassen durchaus angemessen wäre. So ist das beim Jaguar XJ R. Wobei das "R" schon ein bißchen die Zähne zeigt, rot lackiert ist es ohnehin schon.
 

 Fünf Versionen gibt es auf dem deutschen Markt vom Typ XJ, der im Herbst 2002 neu aufgelegt worden war. Die Versionen XJ6 3 Liter und XJ8 3,5 Liter kommen für knapp 60 000 und gut 65 000 Euro mit 175 kW (238 PS) oder 190 kW (258 PS) und sind angemessen, aber nicht wirklich souverän motorisiert. Deshalb hatten wir auf drängendes Nachfragen unseres Lesers schon mal den XJ8 4,2 Liter (219 kW/298 PS) für 73 500 Euro gefahren und waren damit jener Leistung auf der Spur, die wir mit einem Jaguar einfach verbinden. Die Ahnung, da könnte noch mehr sein als eine besondere Kultur der Kraft, hat uns freilich nicht getrogen. So führte man uns den XJ R zu, und wir machten uns auf, ein Mißverständnis zu korrigieren: Dieser Jaguar ist kein Gegner der BMW M5, Mercedes-Benz E 55 AMG oder des Audi RS6. Er spielt zwar etwa in der gleichen Leistungsklasse, aber sein Charakter ist eben britisch. Vielleicht ist er gerade deshalb die schönste Alternative. Eines von zwei besten Oberklasseautos außerhalb deutscher Markenidentität ist er ganz bestimmt. Das andere kommt aus Japan.


Keine andere Automarke geht ähnlich genial und selbstbewußt mit ihrem Inhalt um. Wo andere hinwollen, da ist Jaguar schon. Jedenfalls dann, wenn es um die nicht meß-, aber fühlbaren Details geht. Das "R" ist dezent, es gibt ein bißchen puristischen Maschendraht im Kühler, nicht zu dicke Räder, penibel verarbeitetes Leder, dunkle Intarsien im Armaturenträger, viele Rundinstrumente und wenig Digitalkram, die Ausstattung für Komfort und Sicherheit ist komplett. Die ausladende Karosse hält ausreichend Raum bereit, sie ist ungewöhnlich unübersichtlich, die Sitzhöhe vorn und hinten könnte besser sein. Und man sollte der R-Variante zumindest vorn ein Gestühl spendieren, das Fahrer und Beifahrer intensiver an ihren Plätzen hält und mehr Kontakt mit dem Wesen des Wagens erlaubt. Lob muß es für den gesamten Wohnraum geben, er trägt jenen Charme, der nur aus der Kombination von sorgloser Üppigkeit und sorgsam kalkulierter Kargheit entstehen kann. So ist der XJ R eine Rückkehr zu jenen Eigenschaften des Wahren, Schönen und Guten, die ihn von den kontinentalen Produkten unterscheiden. Daß er kein Rückfall in die früher geübte Nonchalance gegenüber Qualität und technischem Fortschritt ist, wird schnell deutlich.


Die XJ-Series ist mehr Technik, als man ihr ansieht. Der Auftritt ist zwar "schwerer Wagen", aber der Inhalt ist leichtfüßig: 1699 Kilogramm brachte der Testwagen ohne Fahrer auf die Waage. Damit bleibt die Limousine im 5,10-Meter-Format deutlich unter den Marken der Konkurrenz. Die Zuladung kommt auf mehr als 550 Kilo, auch das ist ungewöhnlich. Rund 200 Kilo wiegt der XJ in jeder Version weniger als die vergleichbare Alternative. Das liegt vor allem an der Alukarosserie, die zudem unerwartet steif ist, und es bleibt nicht ohne Folgen.


Es gibt nicht viele Autos mit diesen King-Size-Abmessungen, die mit einem ähnlich agilen, forschen und frechen Fahrverhalten aufwarten. Die direkte Lenkung ist allerdings zu leichtgängig, und auf schmalen Landstraßen mit engen Kurven wirkt der XJ R zwar nicht gerade behäbig, aber doch unhandlich. Wenn man ihn in böser Absicht gerade mal durch den Spessart prügelt, dann merkt man doch, daß dieses Auto ungeachtet seiner Leistung eher auf Gleiten als auf Hetzen ausgelegt wurde. Auf schlechtem Untergrund gerät der Vorderwagen in leichtes Stampfen, die Karosserie neigt zum Wanken, die serienmäßig anwesende Luftfederung hat ihre Probleme mit Querfugen und unterschiedlichen Fahrbahnbelägen. Das zeigt sich an stößigen Federreaktionen auf schlechtem Untergrund und an einem Abrollkomfort, der schon auf rauhem Asphalt spürbar an Qualität verliert. Sich länger hinziehende Bodenwellen absorbiert die Federung dagegen hervorragend, man spürt beinahe die Kissen aus Luft unter dem Wagen. In engen Kurven greift die Traktionskontrolle ein, wenn der Fahrer zu unbeschwert mit der hohen Leistung umgeht. Die Fahrsicherheit liegt auf hohem Niveau, und im Hintergrund wachen die elektronischen Stabilisierungssysteme, deren Eingreifen man aber durchaus vermeiden kann. Am liebsten schnürt der XJ auch als bärenstarke R-Version über weit geschwungene Schnellstraßen erster Güte. Wenn rechter Hand das Mittelmeer liegt, ist das kein Schaden.


Wenig Zufriedenheit konnten die Bremsen auslösen. Sie gingen ihrer Tätigkeit zwar mit guten Erfolgen nach und waren auch tüchtig im Dauereinsatz. Aber das sich beim Niedertreten des Pedals einstellende Bremsgefühl ist wenig präzise und viel zu vage. Fast möchte man pumpen, um harschere Reaktionen hervorzurufen, wir hätten gern ein spontaneres Ansprechen.


Diese Spontaneität liefert die gesamte Antriebseinheit. Weil der Wandler in der famos schaltenden Sechsgangautomatik von ZF auf einen sehr steifen Kraftfluß ausgelegt ist, verhält sich der XJ R am Start fast digital. Er reißt an wie Zerberus vor einer Hühnerbraterei, was beim Rangieren auf einer Steigung kein Vorteil sein muß. Hohe Konzentration und ein feines Gasfüßchen sind nötig, um mild und sanft zu beschleunigen. Auf freier Strecke kommt die Maschine unter Vollgas mit einer Vehemenz zur Sache, die wegen der abrupten Beschleunigung für kurzfristige Faltenfreiheit im Gesicht des Fahrers und für eine hohe, feste Büste bei der Beifahrerin sorgt. Hinten reißt es unter dem infernalischen Heulen des Kompressors den Kindern die Kopfhörer weg, der mitreisende Zwerghase legt die Ohren an, und aus dem Tank ertönt ein gurgelndes Geräusch: Zügige Fahrt führt zu einem Konsum von etwa 16 Litern Plus auf 100 Kilometer. Unter 12 Liter kamen wir auch bei flotter Schleichfahrt nicht, und im Durchschnitt mußten wir 14,6 Liter errechnen. Andere Autos ähnlicher Leistungskategorien liegen da noch schlechter.


Nicht ganz glücklich waren wir mit dem Hochgeschwindigkeitsverhalten des XJ R. Hier, in seiner eigentlichen Domäne, da kamen jene Schwächen auf, die den nüchterner agierenden deutschen Topprodukten nicht zu eigen sind. Jenseits von 220 km/h zitterten die Außenspiegel so stark, daß man auf ihre Nutzung auch gleich verzichten konnte. Bei Geschwindigkeiten von etwa 240 km/h schließlich begann die Motorhaube zu flattern, sie bewegte sich unterhalb der Fensterkante und in ihrem mittleren Segment nicht gerade beunruhigend, aber doch so, daß man die Unruhe beinahe körperlich zu spüren meinte. Dazu zählt ebenso die Neigung des XJ R, bei hohem Tempo um die Längsachse zu gieren und auf Seitenwind mit wenig konstanter Spurhaltung zu reagieren. Auch die Windgeräusche sind dann nicht mehr zu überhören, dagegen tritt der Motor immer mehr in den Hintergrund.


Der Jaguar XJ R ist tatsächlich kein Rennwagen: Seine hohe Motorleistung und die ihm innewohnenden technischen Qualitäten dienen eher einer Festigung seines Charakters als zur Herausbildung ultimativer Tempotaten. Und mit diesen Eigenschaften schiebt sich der XJ R eher in eine ideale Positionierung als Reisewagen, dessen Passagiere nichts lieber vermissen als den Mangel. Die rote Einfärbung des "R" ist wohl britischer Humor.

Daten und Meßwerte

Empfohlener Preis 87 900 Euro, Preis des Testwagens 92 230 Euro

Achtzylindermotor mit Kompressor, vier Ventile je Zylinder, 4196 Kubikzentimeter Hubraum

Leistung 291 kW (395 PS) bei 5700/min

Höchstes Drehmoment 541 Nm bei 3500/min, mindestens 90 Prozent davon ab 2000 bis 5200/min

Erfüllt Euro 3, Automatikgetriebe mit sechs Gangstufen

Antrieb auf die Hinterräder

Länge/Breite/Höhe 5,09/1,86/1,45 Meter

Radstand 3,03, Wendekreis 12,4 Meter

Leergewicht 1800 (tatsächlich 1824), zulässiges Gesamtgewicht 2250, Anhängelast 1900 Kilogramm; Kofferraumvolumen 470 Liter

Reifengröße 255/35 ZR 20

Höchstgeschwindigkeit 250 km/h

Von 0 auf 100 km/h in 5,9 s

Verbrauch 11,1 bis 15,8, im Durchschnitt 14,6 Liter Superbenzin je 100 km; Tankinhalt 85 Liter

Versicherungs-Typklasse HP 22, TK 37, VK 36

Kosten je km (bei 20 000 km/Jahr) 0,86 Euro
 
 
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.05.2004, Nr. 103 / Seite T3
Bildmaterial: F.A.Z., Wieck



Irgendwie gefällt mir das .......

gruß
Gerd
« Letzte Änderung: Di.09.Jan 2007/ 17:18:05 von Gerd Münch »

Offline Ralph Loge

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Re: alter Test XJ-R
« Antwort #1 am: Di.09.Jan 2007/ 17:17:09 »
ja, ich bin diesem (Wagen) auch schon verfallen ....  8) und spare schon kräftig  :-\

Gruß Ralph
Manche leben so vorsichtig, daß sie wie neu sterben. (Michael Richter)

Offline JagDriver

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Re: alter Test XJ-R
« Antwort #2 am: Di.09.Jan 2007/ 17:49:44 »

Höchstes Drehmoment 541 Nm bei 3500/min, mindestens 90 Prozent davon ab 2000 bis 5200/min


Hallo me.gerd,

hört sich schwer nach Dieselmotor an. :D

Euch eine gute Jagd. :super

Gruß
Detlef
Jaguar Werbung anno 1947:
THE FINEST CAR OF ITS CLASS IN THE WORLD

Offline Gerd Münch

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Re: alter Test XJ-R
« Antwort #3 am: Di.09.Jan 2007/ 17:52:49 »
Zitat
....... schwer nach Dieselmotor



geschuldet dem Feinstaub, kommt mir für´s freie Blasen kein Diesel ins Haus

nix, Jagd

mir gefällt der Bericht!


gruß
gerd

Michaela

Re: alter Test XJ-R
« Antwort #4 am: Di.09.Jan 2007/ 17:59:10 »
viel mehr der rot markierte Text  :super

Offline Kai Hoffmann

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Re: alter Test XJ-R
« Antwort #5 am: Di.09.Jan 2007/ 18:01:31 »
.... liest sich sehr gut, aber "WAS PASSIERT MIT DEM BAUCH DES FAHRERS" ?  :D

Gruß Kai
(dem der XJR auch gefällt)
« Letzte Änderung: Di.09.Jan 2007/ 18:45:33 von Ralph Loge »

Offline Peter Pleyer

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  • Diesel is der Feind der Kerze!
    • Meine Jaguare...sind Alle weg!
Re: alter Test XJ-R
« Antwort #6 am: Di.09.Jan 2007/ 19:56:06 »
Ich seh' das so wie Gerd... :-X...auch wenn ich ja nur den Vorgaenger habe... :'(...aber der is nach nu 2 Jahren immer noch erste Wahl auf Reisen. Reisen...wo man dabei nachdenken kann...ueber irgendwas...immer eine Hand frei....etc.
Deswegen habe ich den "englischen Patienten" auch schon umgetauft: Heisst jetzt "British Airways"....fliegen ist vielleicht schoener...aber man sieht nich so viel!  :super
Gruss
Peter :xxx
Ich fahre inzwischen aus Bequemlichkeit...nur noch Range Rover Supercharged!