Der neue Jaguar verzichtet auf einige Extras. Wenigstens sein prestigeträchtiger Name ist noch im Preis inbegriffen
Am Start in der Limousine: Jochen Bittner, ZEIT-Redakteur Politik, im Jaguar S-Type 2.7 Diesel
In meinem Elternhaus herrschte ein hoher Verbrauch an Katzen. Die ganze Familie liebte es, wenn sich so ein Knuddelvieh zum Durchkraulen auf dem Sofa rekelte oder einem um die Beine schmeichelte, wenn es Hunger hatte. Lange hielten die Katzen aber nie.
Vom Balkon aus durften sie den Apfelbaum als Treppenhaus nach draußen nutzen, wann immer sie wollten. Wir waren da sehr liberal. Obwohl wir um die Gefahr wussten. Zweihundert Meter von unserem Haus entfernt, verlief eine Bundesstraße. Irgendwann, meist nach zwei oder zweieinhalb Jahren, stieg die jeweilige Katze immer zum letzten Mal den Apfelbaum hinunter. Wir trauerten eine Weile ehrlich um sie. Dann gingen wir zum Tierheim, um uns eine neue zu besorgen.
Katzen sind großartige Tiere. Autos sind ihre natürlichen Feinde. Katzen sind großartige Tiere. Autos sind ihre natürlichen Feinde. Wenn irgendwer ein Auto nach einer sehr großen Katze benennt, zeugt das von Technik-Machotum. Wenn es Briten tun, zeugt es von Respekt gegenüber einer überlegenen Spezies, deren Eleganz man als Ingenieur zwar nacheifern, aber nie erreichen kann. Ein Auto Jaguar nennen, das dürfen nur Engländer, denn sie wissen das angeborene Understatement der Katze zu schätzen. Italiener, Franzosen oder Deutsche dürfen es nicht. Ihre Autobauer würden nur das Zügellose, Großmäulige am Tier imitieren.
Und so machte ich mir Hoffnungen auf das eleganteste Auto, das ich je gefahren haben werde, als der Mann von Jaguar anklingelt, um zu sagen, er stehe mit dem Wagen vor der Tür. Aber ach. Was ist das denn?
Ich muss mich zwingen, ihn anzulächeln. Vor mir steht der unjaguarhafteste Jaguar, den ich je gesehen habe. Er glotzt so dumm und dienstbar wie jede durchschnittliche Mittelklasselimousine. Würde mich nicht wundern, wenn er mich zur Begrüßung anbellte. Ich höre es förmlich. Wuff, wuff. Das also kommt dann dabei heraus, wenn man eine Befruchtung der Klassik mit dem Zeitgeist zulässt. Und dann ist das Modell auch noch neumodisch pazifikblau lackiert, nicht moosgrün, wie man sich das so vorstellt.
Der Schnösel in mir ist empört.
Als Erstes frage ich den Mann von Jaguar, wo denn bitte die Jaguar-Kühlerfigur sei.
Soviel er weiß, kostet die extra.
Aha.
Ach so, und übrigens, sagt er, einer meiner Vorgänger habe einen kleinen Unfall mit dem Wagen gehabt, der rechte Kotflügel sei ausgetauscht worden, minimale Farbabweichung jetzt, aber das dürfte man eigentlich nicht bemerken.
Ich muss an Eumel denken, einen gescheckten Kater, ziemlich groß und kräftig, der eines Tages nicht mehr nach Hause kam. Ich schlucke. Und steige ein.
Auch bei Jaguar nennen sie den Bereich rund um das Lenkrad »Cockpit«. Der Begriff insinuiert meines Erachtens, dass es weiter hinten eine Passagierkabine mit erster und zweiter Klasse und Stewardessen gibt, des Weiteren Hebel für Triebwerke, Landeklappen, Schubumkehr, Funk und so weiter. Das alles gibt es nicht. Deshalb werde ich auch nicht von Cockpit sprechen, sondern von dem »Bereich rund um das Lenkrad«. Der Bereich rund um das Lenkrad zeichnet sich zunächst einmal durch die weitgehende Abwesenheit von nervtötendem Schnickschnack aus. Putzig ist ein Knopf, mit dem sich die digitale Kilometerstandsanzeige von Kilometern auf Meilen umschalten lässt. Das ist hochgradig überflüssig und sehr schön. Im Übrigen präsentiert sich das Autoinnere ebenso ordinär wie sein Äußeres. Poliertes Mahagoni? Nein. Edelholz-Schaltknauf oder Minibar? Nee. Bloß ein Monitor mit den mittlerweile üblichen technischen Annehmlichkeiten, Klimaregulierung, Navigator, CD-Wechsler und so weiter und so weiter. Verzweifelt suche ich einen Pfeifenhalter. Nix. Nicht mal ein ausziehbarer Zigarrenabschneider.
Ein Bekannter, dem ich meine Enttäuschung mitteile, weiß zu berichten, dass, ja klar, Jaguar jetzt in das Mittelklassesegment vorstoßen will. Wenn ich seinen Unterton richtig deute, dann hält er dieses Unterfangen für mindestens unanständig. Ich weiß, er möchte mich nicht beleidigen, aber im Grunde will er mir sagen: Dein Jaguar da, das ist ein Jaguar für Arme. Aber nicht bei allen Leuten hat die Marke an Glanz verloren, es gibt immer noch Leute, die fallen darauf rein. Vor allem Frauen, muss man leider sagen. Weibliche Bekannte, denen ich, beiläufig freilich, von dem anstehenden Autotest erzählte, schlagen vor, eigentlich könnte man doch mal wieder etwas zusammen unternehmen, vielleicht mal einen Ausflug oder so, gerne auch mit dem Auto. Nein, so nicht. Dann lieber mit dem jaguarkritischen Bekannten nach Dänemark.
Am nächsten Tag, auf der Autobahn. Sicher, man kann das machen. Man kann von Hamburg bis Skagen auf der linken Spur bleiben und beobachten, wie sich weniger kraftvolle Automobile furchtsam in die Büsche schlagen. Der 207-PS-Motor gibt das her. Dabei müssen Sie allerdings nur in Kauf nehmen, dass die vorausfahrenden Menschen Sie von weitem mit hoher Wahrscheinlichkeit für einen dieser präpotenten BMW-Drängler halten. Diese Leute, ich weiß es genau, hängen sich die Schwänze platt gerollter Feliden ins Cockpit.
Besser ist es, gepflegt über den Asphalt zu surren. Damit ziehen Sie warme Blicke auf sich, vielleicht mag der eine oder andere Sie sogar streicheln. Bei 130 Kilometern pro Stunde schnurrt der Dieselmotor so friedlich wie ein schlafendes Tigerjunges, das von warmem Hirsebrei zum Frühstück träumt.
Vielleicht habe ich dem Auto Unrecht getan. Eigentlich … – hab ich gerade selbst angefangen zu schnurren?!
Kurz vor Sonnenuntergang, Ankunft am Strand. Meer voraus! Aus Übermut kurz Gas gegeben und an der Wasserlinie abgebremst. Toll, diese Nordsee im Winter.
Rückwärtsgang. Wrrrimmm. Wrrrimmm. Mist. – Wie kann man so blöd sein?
Jetzt hat sich dieses Zweitonnenauto bis zum Bodenblech im Sand festgefressen. Raus!, schreie ich, graben! Wir buddeln wie verrückt, buddelnbuddelnbuddeln. Grab schneller, ruf ich. Diese Katze muss ich retten!
Unter der Haube
Motorbauart/ Zylinderzahl: Dieselmotor, 6 Zylinder, 2720 ccm Hubraum
Leistung: 152 kW (207 PS) bei 4000 U/min
Maximales Drehmoment: 435 Newtonmeter bei 1900 U/min
6-Gang-Automatikgetriebe, Beschleunigung (0–100 km/h): 8,5 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 230 km/h
EU-Durchschnittsverbrauch: 701 Liter auf 100 km (Diesel)
Kosten (pro Jahr): Vollkaskoversicherung: Typklasse 32; Steuer 432 Euro (Schadstoffklasse Euro 3)
Empfohlener Preis: 39900 Euro (Basispreis)