Brachial, mit Suchtfaktor
Probefahrt und Fahreindruecke F-Type R Coupé (3 von 3)
Von der Schwabengarage bekomme ich durch Herrn Wasner die
Schluessel mit einer Mini-Einfuehrung zu den Wagenfunktionen ueber-
reicht, kein Problem, schliesslich finde ich fast alles so ca. an
dem Platze, an dem ich das bei meinem XF auch suchen wuerde.
Man sitzt sofort wie angegossen drin und macht nur noch kleine
Korrekturen an den Sitzpositionen.
ZUENDUNG - hinten brodelt und murmelt etwas unterdrueckt, aber
nachdruecklich.
Zitat Fritz B. Busch:
"Die Detonation, die von den Leuten beim Druck auf den Starterknopf
mit verstopften Ohren erwartet wurde, bleibt aus. Der Motor dreht
ganz brav mit 650 – aber auch das Pferd hat mich damals mit der
einschlaefernden Naivität eines alten Ohrensessels angeguckt, ehe
es vorne hochging. Ich trete vorsichtshalber mal kurz drauf, und
die Leute flüchten spontan hinter die Strohballen. Das staerkt mein
Selbstbewusstsein erheblich.
„Pass auf beim Anfahren!“ rede ich mir ins Gewissen.
„Der wischt dir hinten weg wie der Schwanz eines wuetenden
Alligators!“ Es gibt Autos, die schleudern im Stand, so wie es
Pferde gibt, die vor lauter Ungeduld vorne hochgehen." "
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Der Regengott meint es an diesem Morgen gut mit der Natur, es
pladdert nur so und auf der Fahrbahn liegt ein zentimeterdicker
Wasserfilm.
Beim Wegrollen vom Ausstellungsraum bin ich angetan von der Sanft-
heit der 8-Gang-Automatik (man kann aber auch manuell mit Schalt-
wippen am Lenkrad hoch- und runterschalten), der Motor grummelt bassig
dazu.
Wuetender Alligator ?
An der Ausfahrt auf der Einfaedelspur zur Bundesstrasse bemerke ich
bei etwas mehr Gasgeben, dass die Hinterraeder bei diesem Wetter
doch recht sanft angesprochen werden wollen, die Raeder drehen sonst
leicht durch, untermalt von einem tiefen, lauten Grosskatzengrollen.
Sachte sachte mit dem Boliden.
Das Grollen bis Roehren ist dabei ein gleichmaessiges Dahinstroemen,
kein metallisches Haemmern wie bei amerikanischen V8-Small- und Big-
blocks.
Signalisiert wird jedoch deutlich: "Ich bin eine geballte Ladung".
Dazu passt die Federungs- und Daempfungskennung, straff, aber nicht
zu straff, eben typisch fuer einen Sportwagen, der auch lange Strecken
an einem Stueck geniessbar machen soll.
Es klart auf, das Wetter wird besser, verklaerte Blicke, Laecheln und
Stehenbleiben von menschlichen Individuen jeglichen Geschlechts und
Alters, als ich langsam durch das Wohngebiet rolle. Ein kurzes Gas-
geben laesst die Vorhaenge hinter den Fenstern vibrieren und selbst
der Schornsteinfegermeister ruft mir etwas Anerkennendes zu. Man moechte
dann wenigstens auch mal probesitzen: "allein das reicht mir schon
komplett aus".
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Froehlich roehrend setze ich meine Fahrt in Richtung des Schlosses
des Goetz von Berlichingen fort. Dies ist so meine uebliche Testroute.
Die Fahrbahn hat nun Grip und der F-Type R schnellt nun auf der Auto-
bahn voran. Es ist Freitag und der Verkehr ist recht dicht, die linke
Spur wird gerne von wankenden, aufgeplusterten Fahrzeugen belagert.
Ein Tunnel verschlingt den F-Type R samt der Rotte auf der linken Spur,
ich druecke darin den Knopf fuer das Oeffnen der Auspuffklappe, ein
ohrenbetaeubendes Aufbruellen in allen Brechungen, zwei schlingernde
Fahrzeuge vor mir schwenken daraufhin sofort auf die freie, rechte
Fahrspur.
Der Vortrieb auf der Autobahn ist gewaltig, andere Verkehrsteilnehmer
fallen, wie von einem Gummiseil zurueckgehalten, ploetzlich negativ
beschleunigend, zurueck. 240km/h sind blitzschnell erreicht, dann muss
ich wieder bremsen.
Zitat Fritz B. Busch:
"Ich habe nicht das Gefuehl, schnell zu sein – ich habe genau dieses
Gefühl: Ich wundere mich darüber, dass die anderen heute so langsam
fahren. Ein 400er Lloyd, der mit allem, was drin ist, einem fernen
Ziel entgegenrobbt, scheint langsam rückwaerts zu rollen."
Nun die Autobahn verlassen und die abenteuerlichen, korkenzieherarti-
gen Straesschen des Hohenloher Landes warten schon, die mich an die
Landstrassen in Cornwall und Schottland erinnern. Das ist klar das
Jagdgebiet des F-Type R. Hier erwachen seine Sinne. Mit aktivierter
Sport-Taste geht es elektrisierend, wie mit einem Hochleistungsmotor-
rad voran, mit trockenen, unmissverstaendlichen Fahrwerksreaktionen.
Die rauen Fahrbahnoberflaechen lassen ihn, wie von einem Katapult
abgeschossen, voranschnellen und machen mich fasziniert automatisch
mit den Schaltwippen hantieren. Dies koennte man einen Fahr-Rausch
nennen.
Ab und zu sehe ich ploetzlich irritiert den Schriftzug "JAGUAR" im
Rueckspiegel auftauchen und stelle fest, dass dies der ab 120km/h
ausfahrende Heckspoiler ist, der aber bei unter 85 km/h automatisch
wieder einfaehrt.
Amuesiert stelle ich auch fest, dass, bei sehr welliger Fahnrbahnober-
flaeche, bei Vollgas noch bei 120km/h die Hinterraeder durchdrehen.
Es ist die wilde Jagd.
Die planen Haarnadelkurven hinunter nach Jagsthausen lassen das Fahr-
werk wie ein Gokart wirken. Mir fehlt noch der Mut voll an die Grenzen
zu gehen, aber das, was da schon so aus dem Aermel geschuettelt wird,
liegt weit ueber der Vorstellungskraft eines Durchschnitts-Automobils.
Eine weitschwingende, breite Strasse ist erreicht, ein Sprinter-
aehnlicher Kleinlaster macht sich vor mir recht dick, schnalze aber mit
einem kurzen, fanfarenaehnlichen Aufbruellen bis 6500 U/min an ihm vorbei.
Die breite Strasse zeigt, dass dem F-Type R das Cruisen auch sehr wohl
liegt und man mit ihm sozusagen auch gemuetlich Kilometerfressen kann.
Jetzt habe ich die Zeit, mir auch mal den Spritverbrauch anzusehen.
15,7 L/100km sehe ich da. Das ist der Sache angemessen.
Zitat Fritz B. Busch:
"Man fuehlt sich in ihm so sicher wie in (fast) keiner Limousine.
Sie beweist dass Reserven alles sind - PS-Reserven, Bremsreserven,
Fahrwerksreserven ergeben maximale Sicherheit. Man muss ja nicht
zweihundert fahren oder mehr, man soll getrost einiges drinn lassen,
was ohnehin nicht mehr auf die Strasse passt, aber man wird unab-
laessig von Befriedigung erfuellt, dass noch so viel drinn ist.
Nicht aus Snobismus, sondern mit dem Gefuehl einer Hausfrau, die
rechtzeitig und reichlich eingekellert hat.
Dieses Auto ist mit einer Flasche Whisky vergleichbar, mit der man
einen Mann alleine lässt. Er muss entweder die Groesse haben, sich
zu beherrschen, sie also nicht hinunterzustuerzen – oder die Routine
und die Reife, sie wirklich verkraften zu können. Ein Greenhorn soeffe
sich einen Katzenjammer an."
Etwas F-Type R angeschickert, mit erhoehtem Blutdruck, laufe ich wieder
bei der Schwabengarage ein.
Fritz B. Busch hat damals, wie auch fuer heute gueltig, den Nagel voll
auf den Kopf getroffen fuer den E-Type wie den F-Type R.
Es lebe der elegant-kultivierte, brachiale Sportwagen !
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- the end -