Autor Thema: Sekt oder Selters - Eine Zwischenbilanz  (Gelesen 12215 mal)

Offline Greenhorn

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Sekt oder Selters - Eine Zwischenbilanz
« am: Sa.18.Aug 2007/ 06:51:29 »
Liebe JAG-Freunde

Nach 2,5 Jahren denke ich, dass es an der Zeit ist, eine erste Zwischenbilanz zu erstellen.

Frühjahr 2005: Im Bewusstsein, das Mobilität mehr als die Fortbewegung von Punkt A nach B sein kann reift in mir nach und nach der Entschluss, mir endlich einen alten Jugendtraum zu erfüllen – ein Sportwagen muss her.
Nur welcher?  Die Auswahlkriterien sind klar:

·   Kein „Allerwelts-Auto“ das jeder Lausbube fährt
·   Kein Exote, wo die nächste Werkstatt 250km entfernt ist
·   Alltagstauglich
·   Bezahlbar
·   Cabrio, sofern möglich
·   Dann noch ein „emotionaler Faktor“, der sich schlecht in Worte fassen lässt – Ihr wisst schon  ;D

Da der Entschluss nun feststand, folgte die Umsetzung umgehend. Zunächst musste die 1. Hürde genommen werden - die Festlegung auf Marke und Modell. Tagelanges Stöbern in einschlägigen Internetbörsen grenzte die Auswahl der möglichen Kandidaten ein:

·   Kein Mercedes – sehr gute Fahrzeuge aber ohne jeden emotionalen Faktor, außerdem steht an jeder Straßenecke einer
·   911er – sehr schnell aber alles Krawallschachteln ohne Komfort
·   928er – schon besser aber kein vernünftiges Angebot (wollte keine verbastelte Kiste mit 200.000km
·   Jaguar XJS – noch nie persönlich kennen gelernt – muß mal sehen, könnte evtl. passen

Nach Studium des potenziellen Angebotes fixierte ich die Investitionskosten auf rd. 15.000€. Nun ging es an die 2. Hürde: Meine Frau musste überzeugt werden. Hier empfehle ich übrigens als idealen Zeitpunkt zum Lostreten dieser Art von Diskussion immer Samstag morgen, bei Frühstückskaffe so kurz nach dem Aufstehen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Gegenwehr noch sehr gering, alle Beteiligten sind noch entspannt und mit guter Vorbereitung der Argumentationskette war das positive Ergebnis der Verhandlung nach wenigen Minuten eingetütet.

Somit ging ich nun an die operative Umsetzung meines Planes. Da ich leider nicht sehr viel Ahnung in der Beurteilung eines gebrauchten Autos hatte, widmete ich mich abermals der Internet-Recherche und bin u.a. auf dieses Forum gestoßen. Hier an dieser Stelle übrigens ein großes Lob an die Betreiber und alle Beteiligten, da der überaus reiche Fundus an Information, im Besonderen der Kaufberatung, eine wesentliche Hilfe für mich als Greenhorn waren.

Mit der Kaufberatung bewaffnet, ging es nun an die Besichtigung des ersten Kandidaten in meiner Nähe in Ulm. Das Objekt meiner Begierde: XJ-S Cabrio, 12 Zylinder, Bauj. 1989, Farbe gunmetal, Innenausstattung schwarz, US-Modell, knapp 80.000km. Schon der erste Eindruck was äußerst positiv und irgendwie wusste ich schon, bevor ich mich überhaupt dem Wagen auf 5m genähert hatte, der ist es! (Soviel zum emotionalen Faktor). Im Großen und Ganzen waren alle in der Kaufberatung beschriebenen Punkte bis auf den bekannten Falz des Kofferraumdeckels in Ordnung und der Verkäufer konnte neben dem Wartungshandbuch auch alle Reparaturen und Wartungsarbeiten mit Rechnung belegen. Leider Hatte der Wagen in den letzten Jahren keine Jaguar-Werkstatt mehr gesehen, da die Arbeiten immer in einer Fremdwerkstatt ausgeführt wurden. Na ja – wie dem aus sei – wir wurden uns handelseinig, auch wenn vielleicht die Probefahrt etwas enttäuschte. Von 264PS hatte ich mir etwas mehr sportlichen Charakter erwartet.

Da der Wagen, wie schon erwähnt, in den letzten Jahren keine Vertragswerkstatt mehr gesehen hatte, brachte ich ihn zunächst zur Durchsicht in die Jaguar-Werkstatt in meiner Nähe. Auf die Anmerkung von mir, auch mal nach der Beschleunigung zu sehen, bekam ich die mehr oder weniger lapidare Antwort, ein XJS sei kein Rennwagen. Es mag nun jeder denken was er will, aber bei einer solchen Motorisierung und etwas mehr als 9sec von 0 auf 100 darf man da schon mal nachfragen.
Nach Behebung mehrerer kleinen Wehwehchen und rd. 2000 EUR ärmer waren die kommenden 12 Monate geprägt von sorgenfreien Ausfahrten und dem unerschütterlichen Glauben an den britischen Automobilbau. Ich glaube es gibt kaum eine schönere Art, gepflegt Benzin zu verbrauchen, als mit dem XJ-S bei schönem Wetter über unsere schöne schwäbische Landschaft zu cruisen.

Die Zeit des Leidens begann dann im Spätsommer letzten Jahres. Ein lockerer Ventilsitzring hauchte ohne, zumindest für mich nicht hörbare, Vorwarnung meinem stolzen 12-ender jäh das Leben aus. Die Jaguar-Werkstatt meines schwindenden Vertrauens rief ca. 10.000 bis 12.000 Euro für einen Austauschmotor aus, falls sie überhaupt einen bekommen. Spontan stoppte ich alle Aktivitäten und begann mit dem, was man gemeinhin mit „networking“ bezeichnet. Zum Glück hatte ich noch einen Kontakt zu einer auf betagtere JAG´s spezialisierten Werkstatt in unserer Nähe, die sich dies auch für die Hälfte des Betrages zutraute. Gesagt – getan, wir transferierten den Patienten in seine neue Klinik und verpassten ihm in den kommenden Monaten über den Winter ein neues Spenderherz. Gleichzeitig wurden alle Schläuche erneuert sowie einige kleinere Arbeiten wie Überarbeiten des Wasserbehälters, der gerne von innen rostet, spülen des Kühlers usw. durchgeführt. Mit dem Einsatz des neuen Motors wurde auch gleichzeitig die US-eigene Abgasbehandlung rückgebaut. Da das Spenderherz die letzte 5,3l –Variante vor Einführung des 6l Aggregates war, verfügt dieses nun auch über eine kontaktlose Zündung und stärkere Zündspulen. Gleichzeitig wurde der Wagen auf EURO2 umgerüstet. Und das Beste an der ganzen Aktion war, dass fehlende Leistung nun kein Thema mehr ist. Das Kätzchen stürmt jetzt nach vorne wie es sich für einen Träger dieses großen Namens auch gehört und ich sehe meine Erwartungshaltung nunmehr als bedient an.
Dennoch – schon 3 Wochen nach dem die Katze wieder im Geschäft war stand es wieder nicht gut um ihre Gesundheit – der Klimakompressor hat gefressen. Was soll`s, abermals in die Vertragswerkstatt und 2800 EURO ärmer. Hatte meinen Wagen nach einer Woche wieder in der behüteten Garage zuhause, um ihm dann 2 Wochen später eine neue Batterie spendieren zu müssen.

Meine Frau hat mir übrigens nun vorgeschlagen, mich um einen Aushilfsjob zu bemühen. Es war nicht Samstag morgen beim Frühstückskaffee und sie machte auch keinen sehr entspannten Eindruck auf mich.

Dennoch halte ich, zumindest bis auf weiteres, zur Katze. Die Hoffnung – das ist bekannt – stirbt immer zuletzt.

Grüß an all diejenigen, die das Tal der Tränen schon durchschritten haben oder noch bzw. wieder durchschreiten werden.

Euer

Irmin         

PS: Hatte meiner Frau übrigens im letzten Jahr einen XJ-40, 4l, den sie als Hundeauto missbraucht, aufgeschwatzt (Samstagmorgens beim Frühstückskaffee) – der läuft wie ein Uhrwerk und macht keine Probleme. Eindeutig das bessere Auto.

Offline E-mAN

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Re: Sekt oder Selters - Eine Zwischenbilanz
« Antwort #1 am: Sa.18.Aug 2007/ 07:18:36 »
Zitat
den sie als Hundeauto missbraucht

Hallo Irmin,

sehr lebensvoller Bericht... lebensvoll und nachvollziehbar.

Vor einiger Zeit las ich schon mal von einem Hund am Lenkrad?

Also Vorsicht, wenn deine Frau ihn fahren lässt.


Hund hinterm Steuer baut Unfall

Schon nach wenigen Metern ist eine Chinesin kläglich mit dem Versuch gescheitert, ihrem Hund das Autofahren beizubringen: Der Vierbeiner baute prompt einen Unfall.

Die beiden Insassen des Autos hätten im Ort Hohhot in der inneren Mongolei einen entgegenkommenden Wagen gerammt, berichtete die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. Der Vierbeiner habe gelenkt, Frauchen habe Gas- und Bremspedal bediente. Doch gleich nach der Übergabe des Steuers an den Vierbeiner habe es gekracht.

Die Frau verteidigte sich gegenüber der Polizei mit der Erklärung, ihr Hund sei sehr intelligent und habe ihr immer beim Fahren zugeschaut. Schließlich habe er selbst ans Lenkrad gewollt.

Verletzt wurde bei dem Unfall niemand. Die vertrauensselige Frau muss nun die Kosten der Reparatur tragen.





HERZlichen Gruss nach Ulm
Egon :xxx
RIP lieber Freund!

Offline E-mAN

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Re: Sekt oder Selters - Eine Zwischenbilanz
« Antwort #2 am: Sa.18.Aug 2007/ 07:23:41 »
Aber es kann auch gut gehen, wie hier:

http://www.bendecho.de/c7642ac806-hund-am-steuer

Egon
RIP lieber Freund!

Offline X-Man

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Re: Sekt oder Selters - Eine Zwischenbilanz
« Antwort #3 am: Sa.18.Aug 2007/ 08:17:55 »
Hallo Irmin,

das Tal der Tränen kann ich gut nachvollziehen.

Einen gpflegten Motorschaden habe ich auch schon hingelegt - bin allerdings selbst schuld gewesen...

Ansonsten heist das Motto: Durchhalten - es kommen auch wieder bessere Zeiten....

Einen alten Engländer - erstrecht mit einem Dutzend Töpfen - fährt sich nie wie ein alter Golf u. die Kosten können exorbitant werden wenn man Pech hat, aber das wußtest du auch vorher, oder?

Glück auf wünscht

Ingmar

Offline Greenhorn

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Re: Sekt oder Selters - Eine Zwischenbilanz
« Antwort #4 am: Sa.18.Aug 2007/ 08:44:00 »
Ingmar

in der Tat wusste ich es - ich hoffte aber, etwas mehr Glück zu haben. Wie man allerdings sieht, ist das Glück eine launische Geliebte.

Irmin

Offline X-Man

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Re: Sekt oder Selters - Eine Zwischenbilanz
« Antwort #5 am: Sa.18.Aug 2007/ 08:46:07 »
Tja, so ist das manchmal...

Aber wenn sie fahren ist es mir keinem anderen Auto zu vergleichen :xxx :xxx

Es gibt doch nichts schöneres als mit 12 Zylindern über die Landstraße zu cruisen - Fenster halb runter u. den Takt der Maschine zu hören....

Leider haben wir dieses Jahr wettertechnisch die A....Karte gezogen :'( :'( :'(

Und das nennt sich dann globale Erwärmung... :whistling

Grüße
Ingmar

Offline Sakis

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Re: Sekt oder Selters - Eine Zwischenbilanz
« Antwort #6 am: So.19.Aug 2007/ 18:25:15 »
Hallo zusammen

habe gerade genüsslich ein Déjà-vu erlebt,

ist gut zu wissen das man nicht alleine ist,

im übrigen sage ich..  Sekt und Selters

der zeitweise mitfühlende,
Sakis

Offline Marcel

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Re: Sekt oder Selters - Eine Zwischenbilanz
« Antwort #7 am: Mo.20.Aug 2007/ 08:21:58 »
Hallo Irmin,

mit dem Porsche 928 ist es wie mit dem XJ-S: zuerst eine schlechte Akzeptanz in der Fangemeinde. Frontmotor, V8 - das passte alles nicht zu einem Porsche. Und dann gibt's noch die nette These, daß der 928er beim Rückwärtsfahren einen geringeren cW-Wert hätte als beim Vorwärtsfahren. Ich kann's nicht prüfen.
Jetzt werden die guten Fahrzeuge langsam rar - und damit auch teurer. Aber wenn Du 20k€ auf den Tisch legst, bekommst Du einen ordentlichen Porsche 928 GT/S4 oder GTS. Nur von letzterem sind die Handschalter nochmals deutlich teurer. Und die km-Laufleisungen jenseits der 400000km ermutigen doch, beim 928er auch ein Fahrzeug mit einem etwas höheren km-Stand zu nehmen - wenn er regelmäßig gewartet wurde. Und vielleicht nicht "gut Auto, Vorbesitzr Aazt."

Viele Grüße,

Marcel.

PS: Die Tante eines Schulfreunds hatte damals einen 928 GT (Bj. 1991, schwarz, Handschalter) - seit 2 Jahren hat er ihn abgemeldet und bewegt ihn nur zu Wartungszwecken. Original weniger als 100000km, und alle Service bei Porsche.
XJ 5.3 Coupé (1975) und XJS V12 Convertible (1994)
bildschöner 5.3 Liter und sagenhafter Sexlidder

Michaela

Re: Sekt oder Selters - Eine Zwischenbilanz
« Antwort #8 am: Mo.20.Aug 2007/ 08:33:28 »
Hallo Irmin,

ein toller Bericht, vielen Dank  : ok*
Das sind die Geschichten, die wir hören und lesen wollen.
Nicht, um uns am Pech Anderer zu weiden, sondern weil es so oder so den Meisten von uns schon so ging.
Man fühlt mit und hält fest 
http://www.cheesebuerger.net/images/smilie/traurig/g045.gif
Den Gedanken, nach Mühen und Kosten das Teil abzustossen, hatte wohl jeder dann schon mal im Hinterkopf.
Aber wir halten dran fest, denn es so, wie von Dir beschreiben: das Gefühl einen Jaguar zu fahren, ist einzigartig.
Und wenn man so eine (Ehe-) Frau hat, umsomehr  :super

Liebe Grüße
Michaela

Offline Markus

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Re: Sekt oder Selters - Eine Zwischenbilanz
« Antwort #9 am: Di.21.Aug 2007/ 00:14:20 »
Hallo Irmin,

es ist schön, daß Du so ausführlich und emotional Deine Erfahrungen schilderst. Jeder hier hat zu seinem XJ-S bzw. XJS seine eigene Beziehung und seine eigene Philosophie.

Daß Klimakompressoren und Batterien kaputt gehen, ist normal, das passiert eben irgendwann bei Autos, die mindestens 11 Jahre alt sind. Aber Motortotalschäden denke ich kommen, falls überhaupt, in der Regel bei preiswerteren älteren  Autos vor. Sicher werden mir jetzt viele widersprechen, aber niemand hat hier bis jetzt mit einem XJS 6.0l oder 4.0l AJ16 einen Motorschaden gemeldet. Ich will damit keine Diskussion starten, darum geht es jetzt nicht, aber ich denke, man muß sich bewußt sein, daß niederigere Kaufpreise eben ein höheres Risiko beinhalten. Das soll kein Vorwurf sein, nein, es sind nur meine Gedanken zu später Stunde, und ich denke, Du warst Dir bewußt, welches Risiko Du eingegangen bist. Viele Neulinge geben sich gerade beim Reparaturrisiko vielen Illusionen hin. Dein Entschluß, alles reparieren zu lassen, war konsequent. Jetzt kennst Du meine Philosophie.

Gruß
Markus