Meine Herren,
ich habe mich schon sehr lange von dem Gedanken verabschiedet, einen modernen Jaguar fahren zu wollen - und das, obwohl in meiner Familie seit 1971 Jaguar gefahren wird und ich selber seit über 15 Jahren in meiner Garage einen Jaguar stehen habe.
Aus meiner Sicht hat sich die Marke völlig von ihrem Markenkern weg entwickelt, schon die Einführung eines Achtzylindermotors hat mir nicht besonders gefallen, für mich gehört in so ein Auto ein Reihensechszylinder oder aber der wunderbare Zwölfzylinder.
Und schon der X350 war für mich nur noch sehr bedingt ein Jaguar, zu groß, zu hoch, zu unelegant kam er daher, selbst wenn er formal noch den klassischen XJ zitierte.
Über den X-Type und S-Type sollte man sowieso den Mantel des Schweigens decken, Jaguar und Mittelklasse geht für mein Empfinden sowieso nicht zusammen.
Aber dann ging es wirklich bergab:
Die zweite Generation des XK versuchte noch gut auszusehen, aber die aufgepumpten Muskeln gingen nur sehr bedingt zusammen mit der von einem Jaguar erwarteten Eleganz.
Der aktuelle XJ versuchte gar nicht erst gut auszusehen, er ist wirkt auf mich wie eine Neuauflage des unglückseligen Rover 3500 Vitesse, hier eine Prise Lexus, dort eine Prise Infinity, abgeschmeckt mit etwas Blingbling und aufgepumpt zu schierer Größe ohne Grandezza, der XF das gleiche Strickmuster in Mittelklasse und den XE kann ich sowieso nicht mehr von einem Mazda unterscheiden - und will es auch gar nicht, wenn ein Jaguar mit einem 3er-BMW konkurrieren soll, will ich keinen Jaguar haben.
Ganz peinlich der F-Type, eine brüllende, furzende Prollschleuder für Türstehertypen, als Toyota vielleicht erträglich, als Jaguar eine Katastrophe.
Jaguar hat es geschafft, sein Alleinstellungsmerkmal - die überirdische Eleganz, die selbst ein XJ 40 trotz seiner Scania-Scheinwerfer noch ausstrahlt, den flüsternden Vortrieb, das erhabene Gleiten - aufzugeben für ein marketingorientiertes Mainstreamauto, austauschbar, ohne Identität und zugeschnitten auf den Mainstreamkunden, der seine Autos sowieso nicht mehr kauft, sondern least und nach drei Jahren rückstandsfrei entsorgt, um das nächste Auto zu anzahlungsfrei leasen, dann vielleicht mal einen Maserati Ghibli mit Dieselmotor und Chrysler-Genen.
Aber wahrscheinlich ist das der Lauf der Zeit und ich bin mittlerweile alt, in der Welt, aus der ich komme, war ein Jaguar etwas ganz besonderes, ein höheres Wesen aus einer anderen, schöneren, besseren Welt, von den britischen Inseln, teuer, nie ganz zuverlässig, aber unglaublich stilvoll und wunderschön, in ihm saßen kluge Frauen mit Handtaschen aus Sallelleder und schöne Männer in maßgeschneiderten Flanellanzügen, man kaufte ihn sich im vollen Bewußtsein, daß er nicht perfekt war, man hegte und pflegte ihn, hatte für Notfälle oder Winterwetter noch ein anderes Auto in der Garage stehen, war stolz darauf, ihn zu besitzen und gab ihn dann irgendwann in der Familie weiter, so wie die alten Barcelona-Chairs, das KPM-Geschirr oder die Patek.
Aber dieses Denken setzt eine Lebensform voraus, die sich wahrscheinlich überlebt hat und somit ist es vermulich nur folgerichtig, daß sich die Marke in der oben beschriebenen Weise verändert hat.
Trotzdem ist es ein Trauerspiel, ich hätte mir gewünscht, daß sich das Jaguar-Design in eine Richtung entwickelt hätte, wie es vor 15 Jahren durch das wunderschöne R-Concept-Coupé angedeutet wurde, schlank, elegant, zurückhaltend und doch typisch britisch.
Und solch ein Auto dann mit einem Antrieb, wie es Tesla vormacht, lautlos, emmissionsfrei, nur das Schmatzen der Reifen und das Rauschen der Aircondition dürfte zu hören sein, so hätte Jaguar eine Zukunft und hätte die Idee des flüsternden XJ 12 in die Zukunft übertragen, ein Auto, was ich mir mit Begeisterung neben den DD6 in die Garage gestellt hätte.
Stattdessen: Brüllauspüffe, aufgerissene Mäuler mit riesigen Lufteinlässen, absurg große und breite Räder, Heckspoiler aus dem D&W-Prospekt, schwarze Felgen, abgedunkelte Fickfenster für die Mafiosi und Oligarchen der neuen Märkte und als komplette Absurdität und vollständige *Unwissender*ie: Einen SUV - das Spielmobil für die cellulitegeplagte Hockey-Mum, mit LED-Lichtleisten und Head-up-Display, früher hatte man zum Jaguar einen Range Rover oder einen Defender in der Garage, heute least man sich gleich ein solches Horrorszenario auf Breitreifen!
Was bleibt?
Die Erinnerung an eine andere, vergangene Zeit, bei mir das völlige Desinteresse an 99% aller zeitgenössischen Autos und das besondere Vergnügen, mit einem alten Jaguarzu zeigen, daß es noch Spurenelemente der früheren Klientel gibt, die den Jaguar vor Jahrzehnten neu gekauft haben und an denen die Moden vorbei ziehen, im Sinne von Joachim C. Fest, dem großen Publizisten und Mitherausgeber der FAZ, der den Titel seines Buches zwar auf eine andere, viel schlimmere Zeit bezog, der aber auch in diesem Fall paßt:
Ich nicht!
Oder, wie es Botho Strauß in dem wunderbaren Buch über seine Kindheit in Bad Ems und über seinen Vater schrieb:
Unzeitgemäß war er. War es mit Kraft und Grimm.
Unzeitgemäße, zugegebenermaßen auch elitäre, in jedem Fall aber jaguarliebende Grüße, G.